Über das Fliehen

Gintersdorfer/Klaßen mit Knut Klaßen, Hanna Zeyer und Hauke Heumann, Georg Seeßlen, Julius Bockelt, Joel Thottathil, Julia Krause-Harder u.a.
Goldstein Galerie, Frankfurt am Main

Über das Fliehen
7. Februar–31. März 2022

Die Veranstaltungsreihe Über das Fliehen widmet sich den bildhaften und gedanklichen Aspekten von Flucht als kreative Strategie und künstlerische Taktik. In der Goldstein Galerie soll es um alternative Realitäten, Fluchtpunkte und die visuelle Dimension des Fliehens gehen.
Gerade in der Pandemie entwickeln nicht nur Künstlerinnen und Künstler neue Strategien zur Bewältigung von besonderen Herausforderungen. Die Frage nach dem beabsichtigten oder unbewussten Fliehen trifft auf die Frage der Ausrichtung: flüchtet man in etwas hinein oder aus etwas heraus? Treibt es einen nach vorne oder zieht man sich zurück?
Die unmittelbarste Assoziation des Flüchtens als Überlebensstrategie und die damit dauerhaft präsenten Unglücke sollen bewusst ausgeklammert werden. Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen wie  z.B. der in Frankfurt ansässige Verein Medico International leisten hier eine entscheidende und sehr konkrete Arbeit.
Über das Fliehen ist eines von zwölf Themen, mit denen sich die Goldstein Galerie seit Mitte 2020 den Praktiken, Themen und Aspekten des künstlerischen Arbeitens zuwendet.
Bisherige Themen waren Über das Sammeln, Über das Reisen, Über das Verbinden, Über das Spielen und Über das Schreiben.

Programm

Residenz und Präsentation
Gintersdorfer/Klaßen
Die Säule geht an der Last vorbei
7.–18. Februar: Residenz
17. Februar, 19 Uhr: Performance
23. Februar–5. März, jeweils Mittwoch–Samstag, 12–18 Uhr: Präsentation
Gintersdorfer/Klaßen entwickeln seit 2005 Projekte, in denen sie Lebensstrategien und Ausdrucksformen der Darsteller zum Zentrum machen und mit eigenen Strategien und Ästhetiken konfrontieren. Das Team ist deutsch-ivorisch mit internationalen Gästen. Alles ist, was es ist. Es geht nicht um Erfundenes oder Symbolisches weder auf der Text-, Spiel- oder Materialebene. Sie versuchen einen möglichst direkten Transport von Leben ins Theater und von Theater/Performance ins Leben. Zu ihrem Vorhaben in der Goldstein Galerie schreiben Sie:
»Fliehen ist eine Handlung, die in der Regel negativ bewertet wird und in einem interessanten Spannungsverhältnis zur Einsamkeit steht. Das Fliehen vor etwas ist ein individueller Prozess, der allein, bewusst oder unbewusst, abläuft. Unabhängig von einer Gemeinschaft muss man den erlebten Prozess selbst verarbeiten. Was aber, wenn die Einsamkeit eine Zuflucht ist?
Die 2004 verstorbene Künstlerin Agnes Martin lebte zurückgezogen in einer Lehmhütte in der Wüste von New Mexico. Sie nutzte die Einsamkeit nicht nur als Strategie, um in einen künstlerischen Schaffensprozess zu kommen, sondern rief auch dazu auf, jede Gelegenheit zum Alleinsein zu nutzen.
Wir betrachten die Zuflucht in die Einsamkeit als eine visuelle Dimension und künstlerische Taktik. Was kann in der totalen Isolation entstehen?«
Mit Hauke Heumann, Knut Klaßen, Hanna Zeyer und Künstler*innen des Atelier Goldstein

 

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Workshop und Präsentation
Plakative
10.–13. März, jeweils 12–18 Uhr, Workshop
16.–19. März, jeweils 12–18 Uhr, Präsentation
Bei diesem Workshop geht es um das Anfertigen persönlicher Poster. Als Motive können eigene Fluchtpunkte, Utopien, andere Welten oder Realitäten dienen, ähnlich einem Film-, Konzert- oder Reiseplakat.
Das Atelier Goldstein bietet als Anregung dazu Einblicke in die Szenarien und besonderen Bildwelten einiger Künstlerinnen des Ateliers.
Innerhalb des viertägigen Workshops werden in verschiedenen analogen oder digitalen Techniken Layouts gestaltet. Die davon angefertigten Plakate werden für weitere vier Tage in der Galerie präsentiert und können anschließend mitgenommen werden.
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Vortrag und Gespräch
Georg Seeßlen
Alcatraz und Syrien – Ästhetik und Ideologie von Fluchtbildern

29. März, 19.30 Uhr
Flucht ist in Kinofilmen oftmals so besetzt, das man unbedingt mit den Fliehenden sympathisiert. Das gilt ganz besonders bei Ausbruchsfilmen, von Monte Christo über Papillon bis zu Produktionen über DDR-Fluchtversuche. Wie fragil diese Konstruktionen sind, kann man gut sehen, wenn man sich den Widerspruch mit den Bildern von Flüchtenden in den Nachrichten macht, zuletzt vor allem an der polnisch-belarussischen Grenze.
Georg Seeßen ist einer der profiliertesten deutschen Filmkritiker, er schreibt u.a. für den FREITAG und epd Film. Als Autor veröffentlichte er zuletzt: Die zweite Welle: Corona & Kultur: Eine Ästhetik der Krise – Eine Krise der Ästhetik.
Georg Seeßlen ist digital zugeschaltet
Moderation vor Ort: Jakob Hoffmann